Tools

Lebenserwartungstool Longevity

Ist Bildung relevanter für eine höhere Lebenserwartung als medizinischer Fortschritt? Die Schweizer Bevölkerung wird immer älter. Das bedeutet nicht nur, dass die Menschen in der Schweiz immer länger leben, sondern auch, dass es immer mehr ältere Menschen gibt. In der Schweiz ist die häufigste Todesursache ein Herzkreislaufversagen. Durch eine hypothetisch mögliche Heilung dieser Krankheiten würde die Lebenserwartung der Schweizer/innen um rund drei Jahre ansteigen. Jedoch prognostiziert die OECD bei Männern eine um 8 Jahre und bei den Frauen um 5 Jahre ansteigende Lebenserwartung mit höherem Bildungsniveau.

Header Bild des Blog Beitrags /bild_2021-11-08_135312.png

Ist Bildung relevanter für eine höhere Lebenserwartung als medizinischer Fortschritt?

Die Schweizer Bevölkerung wird immer älter. Das bedeutet nicht nur, dass die Menschen in der Schweiz immer länger leben, sondern auch, dass es immer mehr ältere Menschen gibt. Abbildung 1 zeigt einen Vergleich der Altersstruktur der Bevölkerung vor 50 Jahren, heute und in 50 Jahren.

Abbildung 1: Altersstruktur der Schweizer Bevölkerung (BFS Referenzszenario[1])

Insgesamt hat die Schweiz im Jahr 2020 knapp 2.4 Millionen mehr Einwohner als 1970 [2]. Daher ist es besonders spannend zu sehen, dass es heute sogar in absoluten Zahlen weniger junge Personen (jünger als 25 Jahre) gibt als vor 50 Jahren.

Diese Entwicklung ist nicht erstaunlich, denn die Geburtenhäufigkeit ging in der Wirtschaftskrise in den 1970er-Jahren drastisch zurück. Die Anzahl Kinder pro Frau hat sich in den letzten 40 Jahren bei etwa 1.5 stabilisiert, was deutlich unter dem Niveau von 2.1 liegt, das für den Ersatz der Elterngeneration notwendig wäre [3]. In der Grafik zur Altersstruktur ist ausserdem gut zu erkennen, dass die Menschen in der Schweiz heute insgesamt länger leben und sich dieser Trend gemäss des Referenzszenarios vom BFS (Bundesamt für Statistik) so fortsetzen wird. Diese Entwicklung zeigt sich ebenfalls in der Lebenserwartung bei Geburt, siehe Abbildung 2.

Abbildung 2: Entwicklung der Lebenserwartung

Bei den Frauen stieg die Lebenserwartung in den letzten 40 Jahren durchschnittlich um 2 Monate pro Jahr, bei den Männern um 3 Monate pro Jahr. Der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen den Geschlechtern hat sich somit verringert und beträgt heute noch 3.7 Jahre. Davon lassen sich ein bis zwei Jahre durch biologische Unterschiede erklären [4] . Die restlichen Differenzen sind auf den Lebensstil zurückzuführen. Ein markanter Unterschied zwischen den Geschlechtern ist in der Anzahl Todesfälle durch Gewalteinwirkungen zu finden. Es gibt prozentual mehr und insbesondere viele junge Männer, die aufgrund von Gewalteinwirkungen getötet werden.

Wenn Menschen länger leben, bedeutet das auch, dass sie erst in höherem Alter sterben. In Abbildung 3 ist die Altersstruktur der Gestorbenen in Quartilen dargestellt. Das heisst, dass ein Viertel der Gestorbenen jünger als Q1 war, die Hälfte war jünger als Q2 und ein Viertel war älter als Q3.

Abbildung 3: Altersstruktur der Gestorbenen (BFS Referenzszenario)

Es ist zu sehen, dass es in den letzten 50 Jahren einen Quartilssprung gegeben hat. Während 1970 noch die Hälfte der Gestorbenen jünger als 73 Jahre alt war, so gilt dies heute nur noch für einen Viertel. Gemäss Referenzszenario des BFS wird 2050 jede vierte gestorbene Person älter als 95 Jahre sein. Diese Prognosen sind nicht nur für die Vorsorge, sondern auch allgemein für die persönliche Lebensplanung relevant.

Die Vorhersagen suggerieren zwar, dass das Sterbealter weiterhin konstant ansteigen wird. Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass die Lebenserwartung in der Schweiz unbegrenzt anwachsen wird. Die Niederlande und einige osteuropäische Staaten zeigen in jüngster Zeit einen Stillstand oder sogar einen Rückgang der Lebenserwartung [5] .

Die Bedeutung verschiedener Todesursachen im Zeitverlauf

Für ein besseres Verständnis der Langlebigkeit ist es wichtig, die häufigsten Todesursachen einer Gesellschaft zu kennen. In der Schweiz ist die Todesursache Nummer 1 das Herz-Kreislauf-System, darunter fällt ein Tod verursacht durch einen Hirnschlag oder einen Herzinfarkt. Werden die häufigsten Todesursachen unterschiedlicher Alterskategorien betrachtet, so ist das Herz-Kreislauf-System nur noch bei Personen über 85 Jahren für die meisten Todesfälle verantwortlich. In den jüngeren Alterskategorien, konkret bei Personen zwischen 45 und 84 Jahren sind bösartige Tumore die häufigste Todesursache. Bei Betrachtung der zeitlichen Entwicklung der Todesursachen in Abbildung 4, wird deutlich, dass dies insbesondere bei Personen im Alter von 65-84 Jahren nicht immer so war.

Abbildung 4: Todesursachen im zeitlichen Verlauf

Es ist zu erkennen, dass sich die absolute Anzahl der Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Personen dieser Alterskategorie in den letzten 30 Jahren halbiert hat. Dies ist auf Fortschritte in der Prävention und Behandlung solcher Krankheiten zurückzuführen. Da die Anzahl Todesfälle verursacht von bösartigen Tumoren beinahe konstant geblieben ist, ist letztere heute die häufigste Todesursache in der Altersklasse 65-84 Jahre. Das BFS bestätigt die grosse Bedeutung des Rückgangs der Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Krankheiten. Dieser Rückgang ist für eine Steigerung der Lebenserwartung um mehr als 1 Jahr innerhalb von 10 Jahren verantwortlich. Bei den Frauen kann 60% der höheren Lebenserwartung durch den Rückgang der Sterblichkeit infolge von Herz-Kreislauf-Krankheiten erklärt werden, bei den Männern sind es 40% [6] .

Das Beispiel der Reduktion der Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen macht deutlich, wie wichtig der Einfluss des medizinischen Fortschritts durch erfolgreiche Prävention oder Behandlung gewisser Krankheiten für die Steigerung der Lebenserwartung ist. Abbildung 5 zeigt, wie stark die Lebenserwartung steigen würde, wenn bestimmte Todesursachen eliminiert werden könnten.

Abbildung 5: Relevanz unterschiedlicher Todesursachen für die Lebenserwartung (2018)

Wäre eine Heilung von bösartigen Tumoren möglich, so würde die durchschnittliche Lebenserwartung um etwa 3 Jahre ansteigen, wobei die Männer (+ 3.3 Jahre) mehr profitieren würden als die Frauen (+ 2.6 Jahre).

Neben dem medizinischen Fortschritt, der die durchschnittliche Lebenserwartung für alle Personen steigert, gibt es individuelle Faktoren, die grossen Einfluss auf die Lebenserwartung eines Individuums haben. So hat die OECD einen starken positiven Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau und der Lebenserwartung eines Individuums gefunden. Im Alter von 25 Jahren liegt der Unterschied der Lebenserwartung zwischen Männern mit hohem und tiefem Bildungsniveau bei 8 Jahren. Bei Frauen beträgt dieser Unterschied 5 Jahre7 . Diese Differenz ist wesentlich grösser als die Steigerung der Lebenserwartung durch die hypothetische Heilung einer bestimmten Krankheit in der Schweiz. Gesamtgesellschaftliche Faktoren wie der medizinische Fortschritt bestimmen zwar insgesamt die Entwicklung der Lebenserwartung. Aber individuelle Faktoren wie die Bildung hängen sehr stark mit der Lebenserwartung zusammen und sind somit verantwortlich für markante Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen innerhalb einer Gesellschaft.

Links zu den Tools:

Lebenserwartung

Todesursachen

_______________________________________________________________________________________________

[1] https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bevoelkerung/zukuenftige-entwicklung/schweiz-szenarien.html
[2] Bevölkerungszahl 1970: 6’168’700, 2020: 8’606’033
[3] https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bevoelkerung/geburten-todesfaelle/fruchtbarkeit.html
[4] https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home.assetdetail.2103067.html
[5] https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/kataloge-datenbanken/publikationen.assetdetail.346909.html
[6] https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home.assetdetail.2103067.html
[7] https://www.demogr.mpg.de/en/publications_databases_6118/publications_1904/other_papers/inequalities_in_longevity_by_education_in_oecd_countries_insights_from_new_oecd_estimates_5737/