Der Fachkräftemangel ist ein Geschäftsleitungsthema
Seit Jahren ist der Fachkräftemangel ein typisches Personalproblem. Aufgrund der Altersstruktur innerhalb der Unternehmen, sowie der sich öffnenden Schere zwischen Personen die dem Arbeitsmarkt eintreten und verlassen, wird sich der Fachkräftemangel weiter verschärfen. Bereits jetzt sind ganze Industrien von einer ungebrochenen Migration abhängig. Dies führt dazu, dass Wachstumsziele aufgrund schlechter Verfügbarkeit von neuen Mitarbeitern nicht erreicht werden können. Damit wird der Fachkräftemangel zu einem Thema für die Geschäftsleitung.
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Ausgangslage
Der Fachkräftemangel betrifft nicht nur den Pflegebereich und in die IT-Berufe. Zunehmend bleiben ausgeschriebene Stellen unbesetzt und immer öfter kommt es vor, dass Stelleninserate kaum sich Bewerbende finden. Manchmal sogar keine. Die Demografie hat einen grossen Anteil daran, dass sich der Fachkräftemangel weiter verschräfen wird. Einerseits verlässt in den nächsten Jahren die grosse Generation der Babyboomer den Arbeitsmarkt. Diese Generation kann nicht annähernd durch junge Arbeitnehmer ersetzt werden, die jetzt neu in den Arbeitsmarkt eintreten. Diese Arbeitsmarktschere wird sich in den kommenden Jahren in ganz Europa zunehmend weiter öffnen.
Von der Zuwanderung ist kaum eine Linderung zu erwarten. Typische Zuwanderungsländer (Deutschland, Italien, Spanien, Portugal) haben ein noch grösseres Altersstrukturproblem als die Schweiz. Mit Portugal hat die Schweiz bereits seit 2019 ein negatives Wanderungssaldo. Es wandern mehr Personen aus der Schweiz nach Portugal als aus Portugal in die Schweiz. Hierbei handelt es sich nicht nur um Pensionierte, sondern in der Mehrzahl um junge Familien. Um die eigene Wirtschaft zu stützen werden Ausgewanderte wieder in das Heimatland zurückgelockt, zum Beispiel mit Steuergeschenken. Der Kampf um Arbeitskräfte wird sich weiter internationalisieren, da jedes europäische Land mit den gleichen Problemen kämpft. Ein Abwerben von Arbeitskräften aus dem Ausland wird dadurch zunehmend schwieriger. Durch die Abwanderung vorheriger Generationen fehlt es an jungen Arbeitskräften in Zuwanderungsländern. Die Kinder der Ausgewanderten sind bereits in der Schweiz aufgewachsen und fehlen damit im Zuwanderungsland. Deshalb steigt die Jobsicherheit der Jungen im Zuwanderungsland, weil es zuwenige von ihnen gibt. Und der Anreiz auszuwandern wird für Junge geringer.
Die Arbeitsmarktschere öffnet sich
Wenn ab 2025 die Zahl der Personen im erwerbstätigen Alter in der Schweiz erstmals sinkt und Europa bereits nächstes Jahr 3 Mio. weniger Personen im erwerbstätigen Alter zählt, wird das Problem auch hier spürbar werden. Die Schere der Personen, die mit 65 Jahren den Arbeitsmarkt verlassen und jenen, die mit 20 Jahren in den Arbeitsmarkt eintreten werden, geht weiter auseinander. Von 2020 bis 2027 wird die Arbeitsmarktschere aufkumuliert über 140'000 Personen betragen, was der Stadt Winterthur entspricht. Bis 2029 sind es bereits über 200'000, der Grösse von Genf (Quelle: Bundesamt für Statistik - Referenzszenario Bevölkerungsfortschreibung).
Vergleicht man die im Titelbild stehende Grafik, sieht man wie die Arbeitsmarktschere in diesem Jahrzent am Beispiel der Entwicklung der 20-jährigen und 65-jährigen auseinandergeht.
Selbst wenn sich die Schere ab dem Jahr 2029 wieder zu schliessen beginnt, so sind es dennoch weiterhin jedes Jahr mehr Personen die den Arbeitsmarkt verlassen, als neu hinzu kommen. Das heisst der Arbeitsmarkt wird sich weiter verkleinern.
Der Fachkräftemangel diktiert das Unternehmenswachstum
In den Geschäftsleitungen ist das Thema noch nicht angekommen. Fachkräftemangel wird als Personalproblem abgetan und wenn eine Stelle nicht schnell besetzt werden kann, muss man halt mehr Inserate schalten. Die Geschäftsleitung wird erst dann erreicht, wenn aufgezeigt werden kann, wie sich der Fachkräftemangel auf die Geschäftsentwicklung des Unternehmens sich auswirken wird. Anbei ein Beispiel zur Veranschaulichung:
Eine KMU erzielt 2022 einen Umsatz von 100 Mio. CHF. Der Businessplan sieht vor, dass in 10 Jahren eine Umsatzsteigerung von 50% angepeilt wird, also pro Jahr ein Wachstum von rund 5%. Durch Effizienzgewinne soll dies mit einer Erhöhung der Belegschaft um 200 Personen, also einem Personalzuwachs um 1/3 erreicht werden.
Doch ist dieser Plan im Hinblick auf den Fachkräftemangel realistisch? Aufgrund der Altersstruktur ist in den nächsten 10 Jahren mit 150 Pensionierungen und Frühpensionierungen zu rechnen. Hinzu kommt die Fluktuation. Es müssen also nicht nur 200 Personen eingestellt werden, um das Wachstum zu ermöglichen, sondern nochmals 200 zusätzlich, um die Abgänge zu kompensieren. Ingsgesamt muss die Firma, um die Wachstumsziele zu erreichen, 400 Personen in den nächsten 10 Jahren einstellen. Wie oben aufgeführt, wird der Arbeitsmarkt dies nicht hergeben können. Zudem werden die konkurrierenden Firmen vor dem gleichen Problem stehen und sich gegenseitig Arbeitskräfte abwerben.
Die Altersstruktur der Schweizer KMUs ist bereits in Schieflage. Das Durchsnittsalter beträgt 55 Jahre. Die Babyboomer Generation stellt nicht nur die grösste Generation im Unternehmen, sondern auch jene mit am meisten Arbeitserfahrung. Dabei ist sie auch typischerweise stark präsent in Leitfunktionen aufzufinden. In den nächsten Jahren werden nicht nur viele Angestellte in Rente gehen, sondern unter ihnen auch überproportional viele in Leitungspositionen, sowie ihre Stellvertretungen.
Realistischer ist, dass in den nächsten 10 Jahren 250 Personen eingestellt werden können. Das Wachstum wird also durch den Fachkräftemangel und die Effizienzsteigerungen des Unternehmens begrenzt. Dann sieht der angepasste realistische Plan wie folgt aus:
Weil der sich weiter verschäfende Fachkräftemangel eine direkte Auswirkung auf den Geschäftsverlauf hat, ist das Thema ein Geschäftsleitungsthema. Es gibt Massnahmen, um das Problem möglichst früh zu verstehen, zu quantifizieren und darauf zu reagieren. Weil alle Arbeitgeber dasselbe Problem haben oder noch bekommen werden, ist ein demografisches Verständnis und eine realistische Geschäftsplanung unabdingbar. Hinzu kommt der Absatzmarkt. Der demografische Wandel wird sich nicht nur auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar machen, sondern auch auf dem Absatzmarkt. Wenn es weniger Arbeitskräfte gibt, werden auch die Ausgaben und somit die Nachfrage zurück gehen. Dies wird unterschiedliche Industrien verschieden hart treffen.
Massnahmen um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken
Wie kann sich eine Firma positionieren, um möglichst wenig vom Fachkräftemangel betroffen zu sein?
a) Produktivitätssteigerung durch Digitalisierung und Automatisierung: Da der Fachkräftemangel unausweichlich ist, sind Investitionen in Digitalisierung und Automatisierung unabdingbar, damit die fehlenden Arbeitskräfte substituiert werden können.
b) Mit den Babyboomern geht die grösste Generation in den nächsten Jahren in Rente. Viele können sich vorstellen weiterhin zu einem reduzierten Pensum, sowie mit weniger Verantwortung weiterzuarbeiten. Mit einer guten Integration in Teams und Projekte kann weiterhin von ihrer Erfahrung profitiert werden. Neben dem finanziellen Anreiz ist bei vielen das Gefühl noch gebraucht zu werden wichtiger. Mit einer Beschäftigung über das Renteneintrittsalter hinaus kann das Problem des Fachkräftemangels nicht gelöst werden, aber es kann ein paar Jahre hinausgezögert werden und den Effekt damit abschwächen.
c) Wie in Abbildung 1 gezeigt wurde, kommen auf 4 Personen die das Erwerbstätigenalter verlassen, nur 3 Jüngere die eintreten nach. Es ist also unabdingbar ein attraktives Unternehmen zu sein und Ausbildungsplätze anzubieten. Leider mangelt es in vielen Branchen an Ausbildungsplätzen, da die Ausbildung von jungen Personal als zu teuer und aufwendig empfunden wird . Stattdessen setzt man darauf das ausgebildete Personal später von anderen Firmen abzuwerben. Diese Einstellung verschäft den Fachkräftemangel zusätzlich. Ziel muss sein, das eigene Personal so auszubilden und zu fördern, dass sie die Kompetenzen haben, die das Unternehmen braucht.
d) Der Konkurrenzkampf am Arbeitsmarkt um Fachkräfte wird sich weiter anheizen. Umso wichtiger ist es, sich als interessanter Arbeitgeber mit Karrieremöglichkeiten, Weiterbildungen, flexiblen Arbeitsbedingungen, um auf verschiedene Bedürfnisse eingehen zu können, zu positionieren. Während sich die Arbeitgeber stark darauf fokussiert haben, junge Mitarbeitende zu gewinnen, werden auch Mitarbeitende über 50 wieder mehr Wertschätzung erfahren müssen. Weil sie gebraucht werden und weil erkannt wird, dass sie durchschnittlich mehr Jahre im Unternehmen bleiben. Deshalb kann es sich für ein Unternehmen auch mehr lohnen in diese Generation zu investieren, weil jüngere Angestellte tendenziell eine höhre Fluktuation aufweisen. Die Kunst wird es sein, aus älteren Angestellte jüngere zu machen. Soll heissen, jene Eigenschaften, die man jüngeren Mitarbeitenden zuschreibt, wie IT-Affinität, Flexibilität und Innovation, älteren Mitarbeitenden durch Trainings und eine unterstützende Firmenkultur zu vermitteln.
e) Aber auch die Umsatzplanung muss überdacht werden. Einerseits wird der mögliche Output durch die Anzahl der Angestellten limitiert und ist somit abhängig vom demografischen Wandel, sowie dem resultierenden Fachkräftemangel. Andererseits kann sich je nach Geschäftsmodell auch die Nachfrage aufgrund der Altersstruktur der Kunden verändern. Beide Überlegungen müssen in die Finanzplanung mit einfliessen.
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