Studien

Auswirkungen des demografischen Wandels auf den Schweizer Arbeitsmarkt

Durch die kommende Pensionierung der Babyboomer-Generation sind wesentliche Veränderungen im Arbeitsmarkt zu erwarten, dies einerseits beim Arbeitsangebot, andererseits auch bei der Nachfrage und Verfügbarkeit nach Arbeitskräften. Anhand eines Gleichgewichtsmodells wird hier der Druck auf den Arbeitsmarkt simuliert. Die Ergebnisse des Gleichgewichtsmodells zeigen einen deutlich steigenden Fachkräftemangel. Deshalb ist es wichtig, dass Unternehmen diese Veränderungen frühzeitig antizipieren und dadurch vom demografischen Wandel profitieren können.

Header Bild des Blog Beitrags /1.png

Megatrend Demografischer Wandel

Mit der kommenden Pensionierung der Babyboomer-Generation sind einschneidende Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt zu erwarten. Diese Veränderungen betreffen sowohl das Angebot von als auch die Nachfrage nach Arbeitskräften. Auf der Seite des Arbeitsangebots ist zu erwarten, dass die altersbedingten Austritte aus dem Arbeitsmarkt markant zunehmen, während Neueintritte von jungen Arbeitnehmenden bestenfalls leicht ansteigen. Bereits heute ist die Anzahl 65-Jähriger in der Schweiz höher als die Anzahl 20-Jähriger (siehe Grafik). Die Schweizer Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wächst also nur noch Dank einer positiven Nettozuwanderung. Durch eine rasch ansteigende Anzahl Pensionierungen in den 2020er-Jahren, verbunden mit einer nur langsam wachsenden Anzahl an 20-Jährigen, wird sich diese Abhängigkeit von Migranten weiter erhöhen. Sollte das aktuelle Niveau der Nettozuwanderung nicht mindestens konstant beibehalten werden können, ist spätestens ab 2030 von einem sinkenden Arbeitsangebot auszugehen.

Unternehmen sind aber nicht nur durch eine Verknappung des Arbeitsangebotes vom demografischen Wandel betroffen. Er verändert auch die Altersstruktur der Konsumenten. Da ältere Konsumenten einen anderen Warenkorb konsumieren als jüngere, führt der demografische Wandel ebenfalls zu Verschiebungen der Konsumnachfrage. Ein typisches Beispiel ist die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen. Da ältere Personen im Durchschnitt mehr Gesundheitsdienstleistungen beanspruchen als jüngere, führt eine alternde Bevölkerung zu einem Anstieg der Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen. Dies bedeutet, dass auch mehr Fachkräfte im Bereich Gesundheit nachgefragt werden. Dabei sind unterschiedliche Branchen unterschiedlich stark von derartigen demografisch induzierten Nachfrageverschiebungen betroffen.

Hinzu kommen demografisch bedingte gesamtwirtschaftliche Entwicklungen, die sich ebenfalls auf Unternehmen auswirken. Als Beispiel ist eine sinkende Sparquote zu nennen. Pensionierte leben in erster Linie von ihren Ersparnissen, d.h. sie entsparen in der Regel. Dies wirkt sich negativ auf die getätigten Investitionen aus, was Branchen wie das Baugewerbe negativ beeinflusst. Mit ökonomischen Modellen können die Auswirkungen dieser verschiedenen Wirkungskanäle kombiniert, und dabei komplexe Verflechtungen und Rückkoppelungseffekte berücksichtigt werden. An der Abteilung für Arbeitsmarktökonomie der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel haben wir in den letzten Jahren ein solches Modell entwickelt. Dieses Modell hat zwei Fokuspunkte: erstens, die demografische Entwicklung der Schweiz in den kommenden 50 Jahren und zweitens, wie sich diese demografische Entwicklung auf den Schweizer Arbeitsmarkt und einzelne Branchen auswirkt.

Die Resultate der Modellsimulationen legen nahe, dass es in der Schweiz in den nächsten Jahren zu einem ausgeprägten und weit verbreiteten Fachkräftemangel kommen wird. Das Modell zeigt ebenfalls, dass nicht nur makroökonomische Kennzahlen wie das Bruttoinlandsprodukt oder der Kapitalstock pro Kopf sinken werden, sondern auch, dass sich das real verfügbare Einkommen besonders bei den mittleren Alterskategorien deutlich reduzieren wird. Dies ist auf eine steigende Steuerlast, ein weiter sinkendes Zinsniveau und insbesondere auf höhere Beiträge zur obligatorischen, umlagefinanzierten Altersvorsorge (AHV) zurückzuführen.

Ergebnisse

Der demografische Wandel wird zu erheblichen Veränderungen in der Schweizer Wirtschaft und insbesondere im Schweizer Arbeitsmarkt führen. Bereits heute spüren viele Unternehmen die ersten Auswirkungen des demografischen Wandels in Form von zunehmendem Fachkräftemangel. Der Druck auf den Arbeitsmarkt wird in den nächsten zehn Jahren durch ein sinkendes Arbeitsangebot weiter zunehmen. Je nach Migrationsszenario kann die Schweiz auch langfristig nicht mit einem wachsenden Arbeitsangebot rechnen. Dies vor allem auch weil sich das angrenzende Ausland demografisch sehr ähnlich entwickeln wird und daher auch im Ausland mit steigenden Löhnen und vermehrtem Fachkräftemangel zu rechnen ist. Es dürfte also für Schweizer Firmen in Zukunft schwieriger werden, geeignete Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren.

Simulierte Wertschöpfung verschiedener Branchen, relativ zu 2020 (2020 = 1). Quelle: Eigene Modellberechnun-gen.

Der Pharmasektor ist eine der wenigen Branchen, die von dieser Entwicklung profitieren kann, da er im Vergleich mit anderen Schweizer Branchen weniger arbeitsintensiv ist. Allerdings muss auch im Pharmabereich der steigende Bedarf an Fachkräften gedeckt werden können. Unter Berücksichtigung der sich rasch verändernden Situation auf dem Arbeitsmarkt und in Verbindung mit einer voraussichtlich steigenden Nachfrage nach spezifischen, hochqualifizierten Fachkräften ist dazu ein umfassendes Strategic Workforce Planning unumgänglich. Aber nicht nur die Pharmabranche muss auf den demografischen Wandel vorbereitet sein. Für sämtliche Branchen errechnet das Modell zwischen 2020 und 2030 eine deutlich zunehmende Knappheit an qualifizierten Arbeitskräften. Das hier vorgestellte Modell aggregiert alle Unternehmen einer Branche zu einer Einheit, einem sogenannten repräsentativen Unternehmen. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass alle Unternehmen einer Branche gleichermassen vom demografischen Wandel betroffen sein werden. In jeder Branche wird es Verlierer des demografischen Wandels geben, aber genauso wird es auch Gewinner geben. Die Gewinner werden diejenigen Unternehmen sein, die sich bereits heute auf den demografischen Wandel vorbereiten. Es werden jene Unternehmen sein, die die Altersstruktur ihrer Mitarbeiter heute kennen und verstehen, wie sich diese in den kommenden Jahren verändern wird, in welchen Funktionen sich Lücken ergeben werden und wie diese gefüllt werden können. Insbesondere eine effiziente und effektive Nutzung von Personal über 50 wird dazu essenziell sein und eine Herausforderung sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmende darstellen.